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> [Interview] Urknall 15 Jahre später, m. Wolfg. Voigt, Ellen Allien, Ata, Hell
Dames Jean
Beitrag 30 Nov 2004, 17:39
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Hansl
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URKNALL, 15 JAHRE SPÄTER

Eine Gesprächsrunde mit Wolfgang Voigt, Ellen Allien, Ata und Hell über 1989, Techno, Party, und was daraus wurde


Text: Heiko Hoffmann



Was habt ihr vor 15 Jahren gemacht?

Ata:Da habe ich gerade angefangen als DJ und war im Begriff mit meinem damaligen Partner Jörg Henze das Delirium zu gründen. Damals bin ich sehr viel weggegangen, da ging in Frankfurt auch noch was. Du konntest an jedem Tag in der Woche weggehen, außer vielleicht montags. Dienstags war man in Bad Homburg in der Tennis Bar, mittwochs in der Music Hall, donnerstags im Cookys, freitags wieder Music Hall oder Vogue, welches dann später zum Omen wurde. Acid habe ich aber übrigens das erste Mal in einem Club in Barcelona gehört. Als ich zurück kam, bin ich sofort zum Boy und habe gesagt: "Acid! Wo kann ich hier Acid kaufen?". [Gelächter]

Hell: Es gab damals ja auch immer die Platten mit dem Smiley-Sticker. Wo der drauf war, musste auch Acid drin sein.

Wolfgang Voigt:: Richtig, die haben am Anfang auch richtig funktioniert. Das war wie eine Geheimsprache.

"Irgendwann kam die gerade Bassdrum und hat uns von unserem Leid quasi über Nacht befreit."


Ata, du hast aber nicht erst durch Acid angefangen aufzulegen. Oder?

Ata: Nein, das ging schon etwas vorher los. Aber mit Chicago-House wurde das viel einfacher mit dem Auflegen. Da kam dann der durchgängige Beat. In vielen Clubs war es in der Zeit auch so, dass der DJ erst alles von Abba bis Zappa gespielt hat und dann kam in der Nacht irgendwann der gerade Beat und Chicago. Dann ging´s ab. TUUTTUUT.

Hell: Es gab damals ja auch immer die Platten mit dem Smiley-Sticker. Wo der drauf war, musste auch Acid drin sein.

Wolfgang: Ich bin ja noch ein paar Tage älter als der Ata und durfte schon durch die original 80er. 1989 hatte ich mich mit meinem Freund und Kollegen Jörg Burger mehr schlecht als recht durch die Zitatpop-80er gequält. Wir haben damals englisch beeinflusste Popmusik gemacht und wären gerne so was wie ABC gewesen. Waren wir aber nicht. Dann kam irgendwann die gerade Bassdrum und hat uns von unserem Leid quasi über Nacht befreit. S-Express und meine erste absolute Lieblingsscheibe Baby Fords, âOochie Koochie´, haben dann sozusagen mein Leben verändert. Wir waren gerade in einer sehr teuren Pop-Produktion, die sehr viel Geld gekostet hat und mussten unseren Produzenten von heute auf morgen stecken: âDas geht nicht, wir haben einen neuen Auftrag aus dem All bekommen.´ Dann hat der uns auf seine Kosten nach London geschickt und wir sollten dann Acid-House auschecken. Da waren wir dann mit Kids mit Smilie-Shirts unterwegs und waren eigentlich so breit wie noch nie. Dazu muss man wissen, dass besonders in Köln das ganze 80er-Jahre-Zitatpopding extrem etikettenlastig war. Zu der Zeit hat in Köln noch die Spex regiert und was dort geschrieben wurde, das war das Ding. Acid war eine neue Epoche, die einen aus diesem Diktat gewissermaßen befreit hat.


Ellen, was hast du vor 15 Jahren gemacht?

Ellen Allien: Oh Gott, 1989. Das war in Berlin natürlich vor allem das Jahr, in dem die Mauer fiel. Da bin ich gerade zurückgekommen aus London, wo ich ein Jahr gelebt hatte. In London habe ich auch die Clubszene kennengelernt und bin in Läden gegangen wo Acid-House mit HipHop vermischt wurde. In Berlin war ich dann das erste Mal im UFO, dem Vorgänger vom Tresor, wo Rok aufgelegt hat. Aber das war für mich damals keine Musik, die in meine Beine ging. Bei mir fing das erst ein, zwei Jahre später so richtig an. Da bin ich dann in den Planet und in das WMF gegangen. Das war was vollkommen Neues, sich als Frau in einem Club zu bewegen, wo man nicht angetatscht und belästigt wird. Deswegen bin ich da eigentlich nur hingegangen, weil ich mich da frei bewegen konnte. Und ab 1992 habe ich auch aufgelegt.


Hell, du hast ja schon Jahre zuvor als DJ angefangen. Was hast du ´89 so aufgelegt?

Hell: Ich stand damals auf HipHop und war vor allem dadurch beeinflusst, dass ich in New York war und dort Public Enemy und die Jungle Brothers gesehen habe. Das war für mich schon ein schwerer Einschlag in meinem Leben. Ende der 80er habe ich dann aber immer mehr Chicago- und New-York-House-Sachen in mein Set aufgenommen. In München gab es einen Plattenladen, der hieß Scratch, der hatte immer die heißesten Importe. Vor allem Sachen wie Jackmaster Funk hatten einen großen Einfluss auf mich. Gleichzeitig war zu der Zeit diese Manchester-Rave-Ecke mit Happy Mondays, Stone Roses, Primal Scream und den Charlatans ganz wichtig. Das haben wir dann in München auf unseren Partys vermischt. Ende der 80er war es noch schwierig, so viele House-Platten zu haben, dass man da wirklich ein sicheres bzw. gutes Set über vier, fünf Stunden spielen konnte.

Ellen: Wurde da schon gemixt?

Hell: Ja, wir haben es zumindest versucht.

Ata: Ich kann dir auch sagen, wo die Platten herkamen. Aus Rossbach bei Frankfurt von Discomania. Da gab es diese zwei Jungs, die sich damals dem House- und dem Amerikading herzensmäßig so verpflichtet hatten, dass sie in einer Garage angefangen haben, US-Scheiben zu importieren. Da habe ich auch meine Platten gekauft. Alle Läden in Deutschland, mit Ausnahme von Hard Wax in Berlin und Container in Hamburg, die selbst importiert haben, bekamen ihre US-Platten damals von Discomania. Das war es. Ende Banane. Und heute machen die nur noch Käse auf Krücken.

Ellen: Mit welchen Geräten habt ihr denn 1989 eure Musik gemacht?

Wolfgang: Wir haben irgendwie mit Millionen anderen Synthesizern, nur nicht mit der 303 rumrandaliert. Wir dachten, wir machen Acid. Ich weiß noch, wie der Burger eines Nachts im Berliner UFO versuchte, Rok irgendwie zu erklären: "Wir sind auch Acid!". Dann hat Rok gefragt: "Habt ihr eine 303?", "Nee.", "Dann seid ihr nicht Acid!"

[Gelächter]. Er hatte natürlich Recht. Drei Wochen später hatte sich das erledigt. Wir hatten irgendwo aus zweiter Hand eine 303 bekommen.

Ellen: Und dann ging´s rund.

Wolfgang: Von dieser Zeit an gab es dann eigentlich nur noch Bassdrum und das gilt im Grunde bis heute. Wobei es um 1990 noch mal eine Zäsur gab, als Acid ein bisschen over war. Da gab es eine Beat-House-Phase, die ich persönlich nach Acid als irgendwie schmerzlich empfunden habe. Aber so Ende ´90, Anfang ´91 wurden wir dann unwiderruflich von Leuten wie Underground Resistance und Richie Hawtin befreit.Die Belgier nicht zu vergessen.

Wolfgang: Ja, die Belgier. Wir haben damals ja auch viel selbst in Belgien produziert, und ich mochte alles bis hin zu Anastasia und Praga Khan. Herrlich! Ich hatte damals auch fast eine Schlägerei, weil Mate Galic und ich wie blöd auf "James Brown Is Dead" standen und Burger und die Geschmacksfraktion dagegen waren. Wir haben uns deswegen echt fast gehauen. Ich fand das geil, weil das so extrem anti gegen diese Kulturblase in Köln war.

Ellen: Hattet ihr da bereits euren Delirium-Laden eröffnet?.

Wolfgang: Das war kurz davor. Wir sind da irgendwie hineingeraten. Wir dachten uns: "Hey, wir stehen da eh nur dumm rum, das machen wir, das finden wir geil!". Damals war ein Plattenladen auch vor allen Dingen ein Ort, wo man auch tagsüber schon Bier trinken konnte.

Ata: Euer erster Laden, der war echt super.

Wolfgang: Das war wie ein Club. In Köln ist die Clubszene scheiße, das weiß man, und da haben wir nachts im Plattenladen After-Hours gefeiert mit irgendwelchen Leuten und am Ende war der Laden halbleer.


Hell, zu der Zeit hast du auch bei Hard Wax in Berlin gearbeitet, oder?

Hell: Ja, da war ich Disponent. Das war noch in dem alten Laden.

Ellen: Da habe ich angefangen Platten zu kaufen. Es war damals gar nicht so leicht, dort an die heißen Veröffentlichungen zu kommen, weil die so umkämpft waren. Ich bin da teilweise fast zitternd in den Laden rein gegangen. Aber vielleicht hatte ich als kleines Mädchen auch einen Vorteil.

Hell: Das war natürlich eine völlige Männerdomäne. Am Freitag kamen die neuen Import-Platten von den amerikanischen Vertrieben. Durch die guten Kontakte nach Detroit war Hard Wax lange Zeit der Plattenladen, der beste in der Welt würde ich sagen. Die waren wirklich konkurrenzlos, weil die schnellen Zugang zu den heißesten Scheiben hatten. Dann hat DJ Rok als Oberdisponent und Quasi-Chef im Laden als erster eine neue Platte bekommen und kurz angehört. Dann gab es so eine Rangliste, wer die nächsten Exemplare erhält. Das waren zum Beispiel Motte, Westbam, Tanith und Jonzon. Kid Paul war nicht so wichtig und dann gab es noch ein paar andere, die hatten gar nichts zu melden, ohne jetzt Namen zu nennen. Die durften dann später kommen. Motte war der DJ, der mich zu der Zeit am meisten beeinflusst hat. Was Motte damals zu E-Werk-Zeiten gemacht hat, das hat nie mehr annähernd irgendwer erreicht. Was er da für eine Atmosphäre geschaffen hat und wie er die Leute europaweit beeinflusst hat, das war sensationell.

Ellen: Motte hat mich damals auch unglaublich gekickt. Das war unglaublich, wenn der gespielt hat, das war ein Film.

Hell: Der hatte natürlich auch, weil er auf der Rangliste oben stand, die besten Platten. Ich war eher so die gute Seele des Ladens. Während andere einem Kunden einfach sagten "Es ist keine mehr da!" und sie dann unter der Hand weitergegeben haben, habe ich, wenn der Rok nicht da war, den Leuten, die keine Platten von Rocky bekommen haben, ihnen dann doch eine zugesteckt. Rok war durch diese Position im Hard Wax die absolute Nummer eins. Wenn der ein Set gespielt hatte am Wochenende, dann waren das nur neue Sachen, die du nie bekommen hast oder ein halbes Jahr später. Da hast du dann mit Zettel dagestanden und fragen müssen: "Ey Rok! Was war denn des?"

Ellen: Also mich hat das Hard Wax total geprägt. Ich kann echt froh sein, dass es das Hard Wax damals gab. Ohne den Laden hätte ich heute nicht die gleiche Plattensammlung.

Hell: Da muss man Mark Ernestus einen Riesendank aussprechen, dass der das so aufgezogen hat. Der Laden hat in den frühen 90ern schon extrem viel bewegt, nicht nur in Berlin.

Ellen: Und Dimitri Hegemann sollte man nicht vergessen. Der hat mit dem Tresor das erste Mal Leute wie Jeff Mills geholt. Das war für uns komplett neu. Als der das erste Mal unten im Tresor aufgelegt hat, wussten wir alle gar nicht, wie wir tanzen sollten. Das war neue Musik.

Hell: Die ganzen Leute aus Detroit kamen alle und das war einfach eine Revolution.

Ata: Berlin war immer sehr Amerika-fixiert. Frankfurt hatte hingegen viel bessere Kontakte nach England damals.


Wusstet ihr im Delirium damals, was die im Hard Wax für Platten hatten?

Ata: Nee, nicht wirklich. Die waren schon sehr autark. Es gab zwar keine Befeindung, aber wir waren da einfach immer woanders. Der Heiko MSO, der dann später zum Delirium dazugekommen ist, war auch extrem Detroit-fixiert und hat dann seinen Detroit-Einfluss auch bei uns eingebracht. Von so was lebt ja auch ein Plattenladen. Aber durch die Konzentration auf Detroit wurden bei Hard Wax auch andere Sachen vernachlässigt.

Hell: Ich würde aber sagen, dass zu der Zeit die innovativste Musik einfach aus Detroit kam.

Ata: Da musst du aufpassen, was du da sagst. Es gab ja auch in England ziemlich gute Sachen zu der Zeit.

Wolfgang: Aber Hard Wax hatte den allergrößten Einfluss. Es war definitiv der erfolgreichste Plattenladen und es war definitiv eine mächtige Instanz. Das hat auch überregional abgefärbt. Du hättest denen auch als Kölner Plattenladen nie Konkurrenz machen können, insbesondere nicht für die DJs, die sehr klassisch auf dieser wie Ata sagt sehr amerikanisch beeinflussten Technoschiene waren. Wenn du Platten aus Detroit und Chicago wolltest, dann hast du die per Mailorder vom Hard Wax bestellt.

Ata: Hard Wax hat wahrscheinlich mehr Platten aus Detroit verkauft als Läden in Detroit selbst. Aber da gibt es noch einen anderen Plattenladen, der damals auch sehr groß war. Das war der Container in Hamburg. Der war sehr fixiert auf US-House, Deep-House und mehr die traditionellen Sachen.




Hell, du hast mal erwähnt, dass es für dich im Laufe der Jahre Wellenbewegungen gab, wo das Feiern besonders intensiv bzw. nicht so stark war.

Hell: Ja, ich habe mich zum Beispiel immer gewundert, dass Ende der 90er, wo es allgemein keine besonders ausgelassene Stimmung auf Partys gab, wir unsere besten Partys am Start hatten. Wir hatten da so eine Hochzeit bei Gigolo mit den wildesten Partys.

Ellen: Ich glaube, das liegt auch daran, dass gerade in Deutschland der Detroit-Sound so fett war. Ihr hattet mit euren Vocal-Electro-Platten etwas anderes am Start. Dieser Performance-Aspekt wie bei Fischerspooner war für die Szene damals komplett neu.

Hell: Das stand bei uns im Vordergrund. Jetzt ist es schon so, dass ich zu viele Liveacts habe und zu wenige DJs.


Geht ihr selbst noch viel aus?

Hell: Ich denke, je länger du im DJ-Zirkel und jedes Wochenende unterwegs bist, desto weniger gehst du aus. Du brauchst ja auch deine Auszeiten. Aber es ist wichtig, dass man immer ein offenes Ohr hat. Wenn ich auflege, dann habe ich fünf, sechs Stunden eine sehr intensive Zeit, auch wenn das natürlich eine andere Form von Feierei ist, als wenn man ausgeht. Ellen: Ich glaube, dass diese Partybewegungen ganz eng damit zusammenhängen, was die DJs und Produzenten gerade machen. Gigolo etwa haben wirklich etwas Neues gemacht. Da hatten die Leute wieder Spaß. Die haben nicht nur alle Speed gezogen und stundenlang vor sich hin getanzt wie im E-Werk, sondern da gab es Glamour. Das war Pop!

"Wir sind alle ganz gute Beispiele dafür, dass man hervorragend Generationen übergreifend arbeiten kann, solange der Geist frisch bleibt."


Ihr seid alle schon sehr lange dabei. Fällt es da nicht mitunter schwer, sich immer wieder neu zu motivieren?

Ata: Ich denke, das hängt von einem selbst ab, inwieweit man experimentiert, inwieweit man zuhört, inwieweit man Sachen aufnimmt und nicht jeden Tag nur Steak mit Pommes isst.

Ellen: Flexibilität! Ich muss sagen, dass mich diese Vielfalt an Producern, DJs und Labels, die es gerade gibt, unheimlich inspiriert. Es ist nicht so, dass mich das langweilt und immer das gleiche bleibt. Das bewegt sich die ganze Zeit.

Wolfgang: Das würde man dir auch nicht abkaufen, wenn du sagst, dass Techno nur dein Beruf ist. Dann geht da was verloren. Wenn Leute wie wir rund um die Uhr, jahrzehntelang von dieser Musik umgeben sind und dauernd reflektieren und kommentieren, kann man natürlich sagen, dass es da eine gewisse Professionalität gibt. Aber erfreulicherweise funktioniert diese Musik nur, wenn du sie glaubwürdig verkaufen kannst. Ohne dass da Herzblut fließt, klappt das nicht. Da ist der Väth das beste Beispiel für.

Hell: Eine Sache, wo wir immer außen vor waren, sind die großen Engländer. Die glauben gar nicht mehr an das, was sie da spielen, und das merkt man auch. Dass die da oben stehen und du dir denkst: "Was macht der da eigentlich? Spürt der überhaupt noch irgendwas?". Das sind Superstars, die die Majors im Rücken haben und die auf jeder Titelseite gepusht werden. Doch zum Glück funktioniert diese Major-Hype-Maschine nicht mehr so wie in den 80er und 90er Jahren.


Ist Älterwerden mit Techno für euch etwas ganz Selbstverständliches?

Wolfgang: Die ganze Clubkultur hat sich seit 1989 verändert, nennen wir es mal den Urknall der Bässe. Die gesamte Szene, das gesamte soziokulturelle Leben ist verändert. Es gibt heute ganz andere Konstellationen, es gibt Lifestyles, die sich aus der Technoszene heraus entwickelt haben. Früher, in den 70ern, gab es die berühmte Berichterstattung über David Bowie, ob man glaubwürdig mit Popkultur altern kann. Das hat sich heute ja erübrigt. Ich denke, wir hier sind alle ganz gute Beispiele dafür, dass man hervorragend Generationen übergreifend arbeiten kann, solange der Geist frisch bleibt. Und man kann in diesen alternativen Lebenskonzepten auch alt werden.


Ihr habt als Labelbetreiber alle eure Erfahrungen mit Majorlabels gemacht. Was habt ihr daraus gelernt?

Ata: Ich würde sagen, dass Techno am Beispiel Kompakt und auch anderer Betriebe die Majors in ihrem derzeitigen Zustand so blass aussehen lässt, dass es uns viel besser geht, wenn wir untereinander arbeiten. Wir brauchen die Majors einfach nicht. Wir haben ja mal eine kurze Verlobung mit einem Major gefeiert, dann aber gemerkt, dass die es nicht ehrlich meinen. Die sind halt nur am Geld interessiert, egal was sie dir anderes erzählen ...

Wolfgang: ... oder sie erhoffen sich einen Imagezuwachs, eine Eintrittskarte zum Underground. Als wir in den 90ern mal eine Zeit lang mit der EMI zusammengearbeitet haben, war das eher eine Kölner Klüngel-Angelegenheit. Es ist nicht so, dass da irgendwelche Barrieren eingerissen wurden, die nicht längst gefallen waren. Mittlerweile ist das auch alles viel geschmeidiger. Da kommt keiner mehr und bietet dir einen Autorenvertrag an, der dich und deine Enkel bis ans Lebensende bindet. Wir sind mehr so rangegangen: "Okay, ihr könnt was, was wir nicht können und umgekehrt. Wenn man sich da nutzen kann, kann man das probieren. Wir haben da keine Angst. Wenn ihr meint, ihr könnt eine Maxi-CD pushen, dann macht ein Remix mit eurem DJ Weißnichtwas und das läuft dann bei VIVA." Ich habe ja kein Problem mit VIVA, ich bin ja mit Popkultur aufgewachsen. Im †brigen hat die Zeit auch gezeigt, dass das Meiste an Musik, die wir repräsentieren, in dieser alten Vermarktungsstruktur einfach nicht funktioniert: Radio promoten, Video machen, TV und so. Das ist uninteressant. Bei uns geht es nach wie vor hauptsächlich um Vinyl, das ist Clubkultur und funktioniert über ganz andere Strukturen, über ein ganz anderes Koordinatensystem..

Hell: Bei unserer einjährigen Zusammenarbeit mit Universal gab es vor allem Kommunikationsprobleme. Letztendlich war es ein Vertriebsdeal, den ich gemacht habe, um unseren Künstlern eine weitere Plattform zu geben. Aber dann wollten die, dass für den und den Markt der und der Produzent den Remix machen muss. Ich habe dann gesagt, dass ich mich mit dem Produzenten nicht mal an einen Tisch setzen würde, wieso soll der dann einen Remix machen? So lange der Vertrag nicht unterzeichnet ist, spricht man natürlich noch die gleiche Sprache, du bekommst immer ein offenes Ohr, es werden alle Wünsche erfüllt, aber sobald etwas unterzeichnet ist, hast du auf einmal keinen Ansprechpartner mehr. Schon einen Tag nach dem Release von meinem Album hatte ich das Gefühl, dass das Thema für die bereits gegessen war. Ich bin ehrlich gesagt froh, dass ich weg bin von dem ganzen Desaster und dass ich da jetzt mit Neuton als Vertrieb neue Wege gehen kann, gerade auch nach der EFA-Pleite.


Ellen, was waren deine Erfahrungen, als dein Act TokTok zu einem Major ging?

Ellen: TokTok mit der Soffy-O.-Nummer war der erste große Hit, den wir mit BPitch hatten. Auf einmal hat dann jeder Major angeklopft. Für mich war das Neuland. Ich saß hauptsächlich alleine im Büro und plötzlich kamen all diese Angebote. Wir mussten uns entscheiden und TokTok wollten auch unbedingt zu einem Major. Wir haben dann einen Deal gemacht, ich bekomme meine Prozente und das ist in Ordnung. So wie diese TokTok funktionieren, war das auch der richtige Schritt für die. Ich als Künstlerin würde diesen Weg allerdings nicht gehen wollen, ich finde das auch nicht sonderlich spannend.

Hell: Ich glaube, es kommt immer auf die Künstler an, ob die das wirklich wollen oder nicht.

Ata: Mit Alter Ego haben wir den Majordeal ja abgesagt. Wie haben uns letztendlich gesagt, dass das, was die uns bieten, wir mit unseren Freunden allemal auch selbst reißen können. Und der Erfolg hat uns in dieser Entscheidung bestätigt.

Wolfgang: Es kommt, wie Ellen schon sagte, darauf an, dass das halt passt. Bei dem Act TokTok, das hat Appeal, das ist eine Band mit einer schönen poppigen Oberfläche, da macht das Sinn.

Hell: Bei TokTok hat das ja auch funktioniert. Ich habe allerdings die Erfahrung gemacht, dass sobald die erste Single kein Hit ist, das Thema für den Major gestorben ist. Die ganzen schönen Ideen, die auf dem Tisch lagen in den ersten Meetings, sind dann vorbei, weil die Majors den Künstlern einfach nicht die Zeit geben, sich zu entwickeln.


Von den Majors einmal abgesehen: Was sind denn eure Erfahrungen in der momentanen wirtschaftlichen Situation? Kompakt etwa wird ja gerne als Paradeunternehmen genannt, das der Krise trotzt.

Wolfgang: Was aber nicht unsere Schuld ist. Ich werde von irgendwelchen Wirtschaftsmagazinen gerne als Interviewpartner genommen. Das ist einerseits sehr interessant und schmeichelhaft, aber das will man andererseits auch nicht falsch verstanden wissen. Mittlerweile haben sich eben über das, was wir machen, Techno, alternative Strukturen entwickelt, die ja auch wirtschaftliche Strukturen sind.

Hell: Ich glaube, dass die Majors schon soweit sind, dass sie Sachen wie Kompakt beleuchten und fragen: "Wie funktionieren die? Wie konnten die solange überleben? Die haben doch nur Verkaufzahlen von 1000 bis 3000 Stück!"

Wolfgang: Ja, die kommen konkret zu uns und fragen: "Was macht ihr anders als wir? Warum klappt das bei euch und bei uns nicht?" Und die Antworten sind allen bekannt: Wenn man aus einer Indiekultur kommt und mit 1000 Platten ohne Promo angefangen hat, über den Underground Musik zu etablieren, dann weiß man eben auch, wie es möglich ist, schneller einen Break-Even zu erreichen.

Ellen: Das ist heutzutage aber auch schwierig. Es ist nicht einfach, als Label überleben zu können.

Wolfgang: Das ist richtig, aber aus Vertriebssicht musst du die Gesamtheit sehen. Da, wo ich sie einsehen kann, kann ich sagen, dass in der Sparte, in der wir tätig sind, ein wirklich stabiler Markt da ist für Vinylprodukte. Es gibt aber sehr viele Labels am Markt. Es ist richtig, was die Ellen sagt: Dass es der Technobranche gemessen an der Gesamtindustrie tendenziell gut geht, heißt nicht, dass das kleine Label keine Probleme hat. Da, wo sich früher ein musikalischer Mikrotrend, Techno in Köln, Frankfurt, München und Berlin, mit einer gewissen Prägung auf zwei bis drei Labels aufgeteilt hat, sind heute 30 bis 40 Labels pro Stadt am Start, die dieses Thema bedienen. Das ist schön, dass es so eine quirlige Szene ist und dass soviel los ist, aber für den einzelnen es ist schwieriger geworden.

Hell: Wir merken bei uns auch, dass es zurück geht. Vor allem sehe ich das bei den Alben. Wenn keine Tour stattfindet und sich nicht alle auf das Thema einigen, dann ist das schwierig.

Ata: Es geht zurück aus dem Grund, den Wolfgang schon genannt hat: Es gibt so viele Labels. Wenn wir früher einen Hit hatten, haben wir 40.000 Platten verkauft, und wenn wir jetzt einen Hit haben, dann verkaufen wir eben nur noch 15.000.

Hell: Mittlerweile sehe ich auch viele DJs, die eine kleine Vinylbox und eine große Box mit gebrannten CDs haben.

Ellen: Seitdem die Post die Preise angezogen hat, verschicken wir unsere Promos nur noch als CD, weil wir uns das gar nicht leisten können.

"Am Anfang war MP3 ein Gespenst, von dem man sich als jemand, der von Vinylherstellung lebt, bedroht fühlte."


Legt ihr selbst mehr mit CDs auf?

Ata: Ja, klar.

Ellen: Ich mache das auch. Ich fange jetzt auch mit Final Scratch an.

Hell: 30 bis 40 Prozent der Tracks, die ich auflege, kommen von CD-R. Wenn ein anderer DJ einen Laptop dabei hat, zieht man sich halt vier bis fünf neue Sachen, die er selbst gemacht oder von anderen bekommen hat, rüber. Ich frage dann zum Beispiel den Ata, ob er mir endlich diesen neuen "Rocker"-Remix gibt ...

Ata: ... ach, den vom letzten Mal? Scheiße, den habe ich heute nicht mit.

Hell: Ich kaufe mir die Platte dann zwar auch hinterher, weil ich schon noch gerne mit Vinyl arbeite, aber dieses Verhältnis Vinyl zu CDs hat sich schon sehr angeglichen.

Ellen: Man kann sich dem halt nicht widersetzen. Das wird da bleiben. Final Scratch 2 zum Beispiel ist der Hammer, das habe ich mir gestern erst angeguckt.

Hell: Ich sehe das als gutes Feature, aber man sollte sich nicht nur ...

Ata: Passt bloß auf, dass ihr eure Seele nicht verkauft!

Ellen: So ein Quatsch!

Ata: Passt bloß auf! [Gelächter]


Wozu braucht man denn noch Vinyl, wenn man Final Scratch hat?

Ellen: Vinyl ist Kult!

Ata: Ich kann nur hoffen, dass das erhalten bleibt. [klopft dreimal auf den Tisch]

Ellen: Ich glaube, dass es auch in Zukunft einige Sachen nur auf Vinyl geben wird.


Wolfgang, bei Kompakt steht doch auch die eigene Download-Plattform vor der Tür, oder?

Wolfgang: Ja, die steht an, aber mit sehr nüchternem Blick auf die Fakten. Man kann sich den Tendenzen nicht verschließen. Es ist glaube ich unstrittig, dass für uns vollkommen klar ist, dass Vinyl das Königsformat ist und bleibt, aus Gründen, die man nicht weiter erklären muss. Ich freue mich zu hören, dass Ellen sagt, dass sie auf Final Scratch umsteigt. Am Anfang war MP3 ein Gespenst, von dem man sich als jemand, der von Vinylherstellung lebt, bedroht fühlte. Seit diese Gespenster around sind, hat sich unser Markt aber eher vorteilhaft weiterentwickelt, als dass er stagniert. Wir gehen davon aus, dass wir einen großen Teil des illegalen MP3-Marktes dadurch abgreifen können, dass wir auf die Stimmen hören, die sagen: Es gibt den ehrlichen User im Internet, der bereit ist für die Musik, die wir repräsentieren, einen fairen Preis zu bezahlen, wenn er sie denn unkompliziert, technisch einwandfrei, ohne viel Brimborium und rigide Verbotsschilder bekommt. Das ist die Idee, und so wie wir auch in den anderen Segmenten, bei den physikalischen Tonträgern, eine sehr treue und dankbare Kundschaft haben, glauben wir, dass wir das auch in diesen Bereich mit rübernehmen können. Aber immer eingedenk der Tatsache, dass Vinyl das amtliche Format bleibt.

Hell: Ich glaube auch, dass das die Zukunft ist oder zumindest ein Teil davon. Man muss das ja nicht limitieren und sagen: "Ich mache jetzt nur noch Internetvertrieb oder MP3. Ich glaube, interessant ist der zeitliche Faktor. Wann stelle ich was ins Internet? Wann habe ich was im Laden als Vinyl? Dass man sich da ein System erarbeitet, welches für DJs funktioniert, aber auch für Leute, die nicht auflegen.

Wolfgang: Das ist eine gute Frage. Das diskutieren wir auch. Schadet man sich, wenn man erstmal MP3 rausstellt für wenig Geld und dann die Vinyl?

Hell: Ich denke, Vinyl sollte schneller sein.

Ata: Nee, ein MP3-Freak, der kauft sich keine Platten. Und der Plattenfreak kauft sich auch niemals eine MP3. Und die zwei oder drei, die es doch machen, sind egal.

Wolfgang: Man sieht Leute, die haben die größte Plattensammlung in so kleinen Geräten, wie wir sie nach 20 Jahren des Sammelns nicht in unserem Plattenschrank haben. Die kennen aber keinen einzigen Track wirklich, geschweige denn, dass sie ihn verstehen würden. Da ist auch ein Problem in dieser unglaublichen Verfügbarkeit und Vielfalt. Da wird das Tauschen und Besitzen wichtiger als das Erleben von Musik.

Hell: Interessant bei diesen Geschichten ist auch die Tatsache, dass man sich nicht mehr einen Track lädt, sondern gleich den ganzen Katalog. Du bekommst den kompletten Playhouse-Katalog mit allen Singles und allen Alben.

Wolfgang: Eines muss man sagen: Wenn das Kulturgut Musik, egal ob alternativ oder kommerziell, ausschließlich gratis verfügbar ist, hast du zwei Probleme. Du hast einen gigantischen inhaltlichen philosophischen Verlust, einen Verlust von Kultur, was schlimm genug ist, wie ich finde. Das ist vielleicht ein Zeichen von Altersschwäche, aber ich bin dieser Meinung. Und das andere ist, dass man sehen muss, wenn niemand mehr bereit ist für neue, interessante Musik zu bezahlen, dann wird es auch weniger neue, interessante Musik geben. Weil die, die in der Regel davon leben, es sich nicht mehr leisten können, diese Musik zu machen.

Hell: Man merkt ja schon, dass sich mit DJ-Gigs und Liveauftritten mehr Geld verdienen lässt als mit Plattenverkäufen, gerade auch für neue Acts.


Dass die Platte vor allem der Promotion für die Clubbookings dient, funktioniert aber auch nur so lange, wie es sich lohnt, die Platten überhaupt herauszubringen.

Ellen: Wieso? Du brauchst ja irgendwann gar kein Geld mehr. Wenn du die MP3-Datei als Künstler auf deine eigene Website stellst, brauchst du gar kein Label mehr.

Wolfgang: Wenn diese ästhetische Darreichungsform sich durchsetzt und akzeptiert wird und man sagt, dass das eine zeitgemäße Art ist, Musik überhaupt in den Umlauf zu bringen, dann mag das so sein.


Ata, habt ihr mit Playhouse und Klang schon Erfahrungen gemacht mit digitalem Vertrieb?

Ata: Nicht wirklich. Ein Haufen Leute klopft zwar bei uns an. Aber ich kann nur eines sagen: Lasst die Tür zu! Die kommen dann schon mit solchen Verträgen, dass ich mich frage, wo wir hier gelandet sind. Ich sage denen dann immer, dass sie in einem Jahre noch mal wiederkommen sollen. Der Witz ist, dass ich bis jetzt noch nicht ein Portal von diesen Leuten gesehen habe.


Habt ihr den Eindruck, dass der große Höhepunkt von Techno vorbei ist?

Ellen: Also Techno am abstumpfen? Sehe ich gar nicht so. Kompakt wächst. Wir wachsen auch. Ich habe auf so vielen Raves gespielt in diesem Sommer und alles war total voll.


Aber für Jugendliche ist Techno heute nur noch eine von vielen Optionen.

Hell: Wunderbar! Dann geht es wieder zu den Anfängen zurück. Ich habe auch das Gefühl, dass es momentan wieder eine klarere Vorstellung bezüglich elektronischer Musik gibt. Es gibt gerade wieder viele DJs, die sich auf Tracks einigen können. Und es gibt so viele geile Tracks. Für mich gibt es eine neue, deutliche Sprache und das ist doch ein gutes Zeichen. Damals haben wir so was Signalnummern genannt.

Ellen: Deutsche Musik wird jetzt erst richtig international wahrgenommen, in England, in Amerika, in Japan. Das geht jetzt erst richtig los. Hell: Wir Deutschen hatten einen großen Einfluss auf die ganze elektronische Kultur. Es muss jetzt nicht unbedingt führend sein, aber alle Welt schaut auf Deutschland: Was wird da produziert?

Wolfgang: Man kriegt mittlerweile Demos aus aller Welt, die irgendwie versuchen, unterstellterweise, einem das zu schicken, was einen gewissen deutschen Einfluss hat. Oder sie schicken ein Demo an BPitch, weil sie denken, dass könnte denen gefallen, weil irgendwie wollen sie auch so sein. Das kommt aus Tokio oder Barcelona oder sonst woher.

Hell: Leider ist es noch verdammt oft so, dass die versuchen, einen Stil zu imitieren. Man sollte eigenständige Musik machen, die mit eigener Kultur arbeitet.

Wolfgang: Richtig. Jetzt werden die Bälle zurückgespielt. Ende der 80er, Anfang der 90er kam die spannende Musik aus Chicago oder Detroit. Nachdem man erstmal drei Jahre in Ehrfurcht erstarrt ist und einen Kniefall gemacht hat, wenn Jeff Mills zur Tür hereinkam, entwickelte sich dann aber irgendwann in Deutschland eine neue Produzentengeneration, die beschloss, dass es sinnvoller ist diese Musik zu nehmen, sie als eine neue globale, nicht-nationale Sprache zu verstehen und zu sagen: Damit kann ich auch was anfangen. Jeder konnte mit einem Konfirmationsgeschenk oder 2000 Mark damals spannende Musik mit einfachem Equipment machen. Das war scheißegal, wo das herkam, Hauptsache es war gut. Die Sprache war einfach Musik, im Subtext ...

Ellen: Dance-Musik ...

Wolfgang: Ganz genau. Und das ist das Ding.

"Am Anfang war MP3 ein Gespenst, von dem man sich als jemand, der von Vinylherstellung lebt, bedroht fühlte."


Was seht ihr im Techno denn gerade an Entwicklungsmöglichkeiten?

Hell: Musikalisch ist es ja gerade wieder hip, Anfang-90er-Sachen zu spielen, von ganz am Anfang bis zu belgischen Sachen und Technosachen. Das frischt ein Set sehr auf, weil es uranalog ist und so kraftvoll und dynamisch.

Wolfgang: Es funktioniert mittlerweile mit eigenen historischen Verweisen. Du kannst 92er-Techno glaubwürdig in ein 04er-Set einbringen. Die Grenzen sind fließend und im †brigen uninteressant, solange es musikalisch funktioniert. Die Hälfte der Leute wissen nicht, was eine alte Bassdrum ist, freuen sich aber, halten es vielleicht für eine neue. Ist ja auch wurscht, weil es funktioniert. Das ist was zählt.

Ellen: Also für mich als DJ ist das auch super, dass ich soweit zurückgreifen kann. Das konnte ich ja früher nicht. Jetzt kann ich mittlerweile auf die 90er, auf die 80er zurückgreifen, was so ein Set ja interessanter macht.

Hell: Jeder hat da so seine eigenen Vorlieben. Miss Kittin spielt ihre alten Outlander-Sachen. Trevor Jackson legt The KLF "What Time Is Love" in der Orchesterversion auf. Da hat jeder seine Favoriten.

Wolfgang: Ich überlege auch gerade, meine alten Produktionen wieder erhältlich zu machen. Es ist so, dass auch in unserer Ecke wahnsinnig oft rüberkommt, dass Techno jetzt ein historisches Ding ist, obwohl es für mich immer noch die neueste und spannendste Musik ist. Insofern ist der Anlass dieser Runde hier, 15 Jahre nach ´89/´90, schon ganz richtig, das ist für mich auch der Urknall gewesen, dessen Planetensystem sich heute noch findet. Es gibt Subtrends und Mikrotrends, die sich immer noch bewegen. Es gibt mittlerweile mehrere Generationen. Es gibt Kids um die 20 rum, die gehen jetzt raus, die hören was, was wir wahrscheinlich alle als Minimal-Techno bezeichnen würden und was wahnsinnig mit dem zu tun hat, was wir schon Anfang, Mitte der 90er kannten, was sich mit neuer Software und neuem Equipment, aber auch altem, weiterentwickelt. Die gehen da ganz frisch ran, weil die es nicht besser wissen. Ich glaube, auch in den 90ern war die Entwicklung so rasant, dass vieles an Marginalien, das damals am Rande liegen geblieben ist, heute wieder aufgegriffen wird. Dass Leute wieder ganz frisch rangehen, dass die da Sachen finden, die wir irgendwo mal liegengelassen haben. Da werden Bälle weitergespielt, vor und zurück. Aber letztendlich mit einem neuen Blick nach vorn.

Ellen: Was braucht denn ein Dance-Track schon? Eine gewisse Monotonie und einen Beat, mehr nicht! Die Detroiter haben das am besten beherrscht, weil es sexy war und funky. Jetzt ist es eher stumpfer, was aus Deutschland kommt.

Wolfgang: Es kommt auch immer darauf an, was mit stumpf gemeint ist. 1992 war stumpf das größte Kompliment. Da war stumpf geil!


Es fällt schwer, sich wieder eine radikale, übergreifende musikalische Veränderung vorzustellen, wie sie sich vor etwa 15 Jahren ereignet hat.

Wolfgang: Man muss sehen, dass in der Geschichtsschreibung die Popmusik nie anders funktioniert hat. Nach Rock´n´Roll kam Hardrock, nach Rock kam Pop, dann kam Punk, dann kam New Wave. Dann kam wieder Pop, dann kam House, Techno und Acid, das kennen wir. Das sind die ganz großen Headliner. Allerdings hat sich dieses ganze System der Hipnesskultur in Techno aufgelöst und erübrigt. Es wird mutmaßlicherweise keinen Urknall wie Acid mehr geben.

Hell: Man muss aber auch neue Verbindungen sehen. Diese ganze Rockmusik, die verboten war in elektronischer Musik, die ist plötzlich fusioniert und dadurch ist etwas Neues entstanden. ´97 war Rockmusik mit elektronischen Beats nicht vorstellbar. Und jetzt sitzen wir hier und das ist so eine deutliche Sprache, das ist so eine enge Fusion, das sind so geile neue Sachen, die da entstehen.

Ellen: Was ich halt mitbekomme ist, dass die DJs und die Laptop-Künstler vereinsamt sind. Durch diese Vereinsamung gibt es jetzt das Bedürfnis, wieder mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Die versuchen wieder in einer Gruppe zu arbeiten. Viele Artists, die ich spreche, denken gerade darüber nach, eine Band zu gründen. Ich habe zum Beispiel vor zwei Wochen die T.Raumschmiere-Band gesehen und das war super. Das hat gerockt! Endlich mal nicht ein Typ, der mit dem Laptop da steht, sondern eine Band, die einen anblökt und mit Klamotten schmeißt.


Allerdings kann man dieses Bedürfnis, gemeinsam mit anderen zu musizieren, auch bei Laptop-Künstlern beobachten. Ricardo Villalobos etwa mit seinem Narod-Niki-Projekt.

Wolfgang: Man muss sehen, dass in der Geschichtsschreibung die Popmusik nie anders funktioniert hat. Nach Rock´n´Roll kam Hardrock, nach Rock kam Pop, dann kam Punk, dann kam New Wave. Dann kam wieder Pop, dann kam House, Techno und Acid, das kennen wir. Das sind die ganz großen Headliner. Allerdings hat sich dieses ganze System der Hipnesskultur in Techno aufgelöst und erübrigt. Es wird mutmaßlicherweise keinen Urknall wie Acid mehr geben.

Hell: Man muss aber auch neue Verbindungen sehen. Diese ganze Rockmusik, die verboten war in elektronischer Musik, die ist plötzlich fusioniert und dadurch ist etwas Neues entstanden. ´97 war Rockmusik mit elektronischen Beats nicht vorstellbar. Und jetzt sitzen wir hier und das ist so eine deutliche Sprache, das ist so eine enge Fusion, das sind so geile neue Sachen, die da entstehen.

Ellen: Was ich halt mitbekomme ist, dass die DJs und die Laptop-Künstler vereinsamt sind. Durch diese Vereinsamung gibt es jetzt das Bedürfnis, wieder mit anderen Leuten zusammenzuarbeiten. Die versuchen wieder in einer Gruppe zu arbeiten. Viele Artists, die ich spreche, denken gerade darüber nach, eine Band zu gründen. Ich habe zum Beispiel vor zwei Wochen die T.Raumschmiere-Band gesehen und das war super. Das hat gerockt! Endlich mal nicht ein Typ, der mit dem Laptop da steht, sondern eine Band, die einen anblökt und mit Klamotten schmeißt


Das ist eine Form des digitalen Jammens.

Ata: Genau.

Wolfgang: Es gibt auch Laptop-Virtuosen. Das Entscheidende ist: Es gibt Laptop-Gigs, die sind weniger live als manche DJs, einfach weil sich der DJ reinhängt und jede Platte vollschwitzt. Es gibt aber auch Laptop-Acts, die sind sexy, machen Rock´n´Roll und sagen: Ich bin hier für Entertainment. Die scheißen auf die Technik und ziehen sich aus, und es gibt natürlich auch so Headbanger-Typen, die eigentlich synthetische Liveacts machen, wie Acid Scout oder T.Raumschmiere, wo aber soviel los ist, dass die Funken fliegen. Einfach Entertainment. Das ist immer ein bisschen schwierig gewesen im Techno mit den Liveacts.

Hell: Es gab das nicht so oft.

Wolfgang: Stage Diving darf zurückkommen, wenn es weiß, warum es weg war.


Quelle: Groove

Der Beitrag wurde von about:blank bearbeitet: 30 Nov 2004, 17:40
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Chriskeepsdiggin...
Beitrag 30 Nov 2004, 17:53
Beitrag #2


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Symphatisches & erfrischendes Interview - Respekt für Hell`s Aussage "man versuchte zumindest zu mixen (da fallen mir auf Anhieb einige sehr lustige Anekdoten ein... war ne feine Zeit)" denn letztendlich war`s ja egal.

Music was & is the key!

Der Beitrag wurde von Chrise bearbeitet: 30 Nov 2004, 17:54
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Billie Jean
Beitrag 30 Nov 2004, 19:22
Beitrag #3


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sehr amüsant und interessant zu lesen! cooles interview (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/cool.gif)
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KayoZ
Beitrag 30 Nov 2004, 20:14
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geiles interview...

like chrise said... key and so on *g*
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stendek
Beitrag 2 Dec 2004, 14:56
Beitrag #5


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Wirklich nettes Interview!

Was mich interessieren würde, was bei uns in Österreich so gegangen ist von 1990-1995!

Sind noch welche hier, die a paar Gschichten aus dieser Zeit mit uns teilen wollen?
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Crayfish
Beitrag 2 Dec 2004, 15:00
Beitrag #6


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wäre natürlich interessant was in Österreich von 1990-1995 so los war!

ich glaub, dass der Eric Fischer da ein paar nette Geschichten auf Lager hat!! (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/xmas.gif)

(IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/baaa.gif)

Der Beitrag wurde von Crayfish bearbeitet: 2 Dec 2004, 15:01
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Chriskeepsdiggin...
Beitrag 2 Dec 2004, 15:01
Beitrag #7


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ZITAT(stendek @ 2. Dec 2004, 13:56 )
Wirklich nettes Interview!

Was mich interessieren würde, was bei uns in Österreich so gegangen ist von 1990-1995!

Sind noch welche hier, die a paar Gschichten aus dieser Zeit mit uns teilen wollen?



In Österreich begann es 88/89 in Salzburg/Wien - 90 zog Linz nach - remember Loop, Emotion, Homeless Performance, Danube Rave usw...... Die einfachste Lösung in Bezug auf Österreich wäre das TB setzt Eric Fischer, Crazy Sonic, Claus Piffl, Transport, LX, Peter Meininger und noch ein paar andere Herren des Techno Rentnerclubs (und der nach wie vor teils mehr als Aktiven) an den Tisch!

Somit kommen Infos aus erster Hand und der Verein hat eine Menge zu erzählen..............!

Der Beitrag wurde von Chrise bearbeitet: 2 Dec 2004, 15:08
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stendek
Beitrag 2 Dec 2004, 15:08
Beitrag #8


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Naja...mich würd halt die Sache aus der Sicht eines Partygängers sehr interessieren! Die letzten Homeless Performance Partys hab ich ja auch noch miterleben dürfen!! *g*
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rosch
Beitrag 3 Dec 2004, 17:00
Beitrag #9


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In der Tat ein sehr fesselndes Interview.
Wie Chrise schon sagte, wäre wirklich mal interessant da mal eine Österreicher Runde einzuberufen und darüber ein bissl quatschen
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salz01
Beitrag 4 Dec 2004, 14:23
Beitrag #10





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ZITAT(rosch @ 3. Dec 2004, 17:00 )
In der Tat ein sehr fesselndes Interview.
Wie Chrise schon sagte, wäre wirklich mal interessant da mal eine Österreicher Runde einzuberufen und darüber ein bissl quatschen

wär ja eine feine aufgabe für die TB admins (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/wink.gif)
so ein exklusives interview das dann hier veröffentlicht wird. (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/cool.gif)
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Hustler
Beitrag 4 Dec 2004, 20:37
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ZITAT(Crayfish @ 2. Dec 2004, 15:00 )
wäre natürlich interessant was in Österreich von 1990-1995 so los war!

ich glaub, dass der Eric Fischer da ein paar nette Geschichten auf Lager hat!! (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/xmas.gif)

(IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/baaa.gif)

einiges hehehee (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/biggrin.gif)
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Hustler
Beitrag 12 Dec 2004, 22:39
Beitrag #12


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ZITAT(stendek @ 2. Dec 2004, 15:08 )
Naja...mich würd halt die Sache aus der Sicht eines Partygängers sehr interessieren! Die letzten Homeless Performance Partys hab ich ja auch noch miterleben dürfen!! *g*

ARGE Nonntal, Salzburg oder? Hab noch irgendwo ein tape "homeless-performance" mit lenny dee
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Hustler
Beitrag 12 Dec 2004, 22:43
Beitrag #13


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ZITAT(Chrise @ 2. Dec 2004, 15:01 )
ZITAT(stendek @ 2. Dec 2004, 13:56 )
Wirklich nettes Interview!

Was mich interessieren würde, was bei uns in Österreich so gegangen ist von 1990-1995!

Sind noch welche hier, die a paar Gschichten aus dieser Zeit mit uns teilen wollen?



In Österreich begann es 88/89 in Salzburg/Wien - 90 zog Linz nach - remember Loop, Emotion, Homeless Performance, Danube Rave usw...... Die einfachste Lösung in Bezug auf Österreich wäre das TB setzt Eric Fischer, Crazy Sonic, Claus Piffl, Transport, LX, Peter Meininger und noch ein paar andere Herren des Techno Rentnerclubs (und der nach wie vor teils mehr als Aktiven) an den Tisch!

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Ben Chumin
Beitrag 13 Dec 2004, 16:52
Beitrag #14


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ZITAT(Chrise @ 30. Nov 2004, 17:53 )
da fallen mir auf Anhieb einige sehr lustige Anekdoten ein...

niemand zwingt dich, zu schweigen (IMG:http://www.technoboard.at/style_emoticons/default/wink.gif)
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